BfHD Newsticker 04. März 2016
Prozess gegen Schiedsstelle:
Sozialgericht Berlin lehnt Eilantrag ab – Aber: „Nicht unerhebliche rechtliche Bedenken“ gegen „Ausschlusskriterien“
Erwartungsgemäß hat das Sozialgericht Berlin mit Beschluss vom 22.02.2016 (Az.: S 211 KR 4186/15) in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren wegen des Schiedsstellenspruch den Antrag des Deutschen Hebammenverbandes (DHV), wie in solchen Verfahren üblich ohne mündlichen Verhandlungstermin, abgelehnt. Der BfHD e.V. hatte dem Eilrechtsschutzverfahren bereits von vornherein nur wenig Erfolgsaussichten eingeräumt und von einem eigenen Antrag abgesehen. Wir hatten es bei unserer eigenen Klage, beschränkt auf die gerichtliche Überprüfung der Ausschlusskriterien, belassen.
Bereits zu Beginn des einstweiligen Rechtsschutzverfahren, in welchem der BfHD e.V. neben dem GKV-Spitzenverband beigeladen war, hatte das Sozialgericht den DHV darauf hingewiesen, dass eine Stattgabe des Eilrechtsschutzantrag zur Folge hätte, dass der Anspruch auf die Vergütungserhöhung vorläufig entfiele und auch die Zahlung des Sicherstellungszuschlages ausgesetzt würde mit der Folge von Einnahmeausfällen bei den Mitgliedsfrauen. Der BfHD e.V. hatte sich im Interesse seiner Mitgliedsfrauen dieser Sichtweise des Gerichts angeschlossen. Gleichwohl wurde von Seiten des DHV der Antrag aufrechterhalten.
Bei der Begründung der Ablehnung des Eilantrags bezog sich das Sozialgericht einerseits darauf, dass die vorläufige Anwendung der Ausschlusskriterien die Mitgliedsfrauen nicht unzumutbar in deren Berufsausübungsfreiheit beeinträchtigt würden. In diesem Zusammenhang wurde darauf verwiesen, dass „voraussichtlich noch im Laufe dieses Jahres die von den Vertragspartnern in Auftrag gegebene Studie zum Nutzen der Qualitätskriterien erscheint“ und die Ausschlusskriterien dann geändert werden könnten. Andererseits sah das Gericht bei einer anderslautenden stattgebenden Entscheidung die Gefahr, dass „der Sicherstellungszuschlag für Hebammen mit wenigen Geburten existenzbedrohend entfiele“.
Darüber hinaus enthält der jetzt vorliegende gerichtliche Beschluss einige Hinweise in Bezug auf die von DHV und BfHD e.V. getrennt voneinander eingelegten Klagen, also die sogenannten „Hauptsacheverfahren“, welche möglicherweise unsere Rechtsauffassung stützen. So teilt das Gericht mit, dass „ein Erfolg der Klage (..) zumindest teilweise in Bezug auf bestimmte absolute Ausschlusskriterien möglich“ sei. In bestem Juristendeutsch wird von „nicht unerheblichen rechtlichen Bedenken“ in Bezug auf Teile des Schiedsspruchs gesprochen. Das Gericht zweifelt beispielsweise an, ob Ausschlusskriterien über den für die Versorgung mit Hebammenhilfe zentralen § 134a SGB V gesetzlich gedeckt sind und bezieht sich dabei auf den bereits durch den BfHD e.V. bereits frühzeitig gerügten Verstoß gegen den „Wesentlichkeitsgrundsatz“. Danach müssen wesentliche Eingriffe in Grundrechte konkret durch ein Gesetz geregelt werden. Ob § 134a SGB V dazu für Eingriffe beispielsweise in die Berufsausübungsfreiheit der Hebamme ausreicht, ist nach dem Beschluss des Sozialgerichtes Berlin mindestens fraglich.
Zweifel äußert das Gericht auch im Hinblick darauf, ob durch Ausschlusskriterien nicht das Wahlrecht der Versicherten für eine Hausgeburt tangiert sei. Auch das war von uns bereits im Rahmen des Schiedsverfahren und letztlich im Rahmen der Klageerhebung moniert worden.
Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes führt das Gericht aus, dass für Qualitätsanforderungen „ein Mindestmaß an Evidenz“, nämlich „eine nach wissenschaftlichen Maßstäben belegte Wahrscheinlichkeit für einen Zusammenhang zwischen dem jeweiligen Ausschlusskriterium und der Verbesserung der Versorgungsqualität“ erforderlich sei. „Ein solcher Zusammenhang dürfte in Bezug auf die streitigen Ausschlusskriterien nicht hinreichend belegt sein“, so das Gericht.
Es bleibt abzuwarten, ob sich die in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren „nach summarischer Prüfung“, wie Juristen sagen, erfolgten Prüfung der Rechtslage aufgeworfenen rechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Hauptsacheverfahren verfestigen und letztlich zu einem Erfolg der Klagen führen.
Hinzu kommt, dass die Klage des DHV nicht in derselben Spruchkammer des Sozialgerichtes Berlin bearbeitet wird. Ob es zu einer Zusammenlegung der Verfahren kommt, steht nicht fest. Es ist zwar möglich, aber unwahrscheinlich, dass zwei Kammern desselben Gerichts zu unterschiedlichen Rechtsauffassungen kommen.
Auf jeden Fall hat der bisherige Verlauf des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens – Rechtsmittel kann noch eingelegt werden – Folgendes gezeigt:
Der BfHD e.V. lag mit seiner Einschätzung richtig, keinen Eilantrag zu stellen.
Die von BfHD e.V. wie auch DHV im Rahmen des Schiedsstellenverfahrens wie auch in den eingereichten geltend gemachten Bedenken gegen die Ausschlusskriterien sind entgegen der Auffassung der Schiedsstelle und des GKV-Spitzenverbandes keinesfalls abwegig oder rechtlich unvertretbar. Unsere Argumente, regelmäßig gegen den Widerstand des GKV-Spitzenverbandes öffentlich, in der Schiedsstelle und auch im Klageverfahren vorgebracht, haben jedenfalls in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren richterliches Gehör gefunden. Letztlich dürften die rechtlichen Hinweise des Gerichts in dem jetzt vorliegenden Beschluss für eine, wenn auch bei aller Unkalkulierbarkeit gerichtlicher Entscheidungen verhaltene Zuversicht in Bezug auf einen positiven Ausgang für die Klageverfahren in Bezug auf die Ausschlusskriterien sprechen.
Carsten Morgenthal
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GKV Pressemitteilung
Laut Pressemitteilung des GKV Spitzenverbandes vom 29.02.2016 kann der Sicherstellungzuschlag von Hebammen mit Haftpflichtversicherung über den DHV-Gruppenvertrag jetzt einfacher beantragt werden. Sie müssen zukünftig nicht mehr die allgemeinen Vertragsbedingungen kopieren und mit dem Antrag einreichen. Für den Versicherungsnachweis reichen in diesem Fall die persönlichen Versicherungszeiträume mit Geburtshilfe, also Police und Änderungsmitteilungen.
Die komplette Pressemitteilung ist nachzulesen unter: https://www.gkv-spitzenverband.de/presse/pressemitteilungen_und_statements/pressemitteilung_349760.jsp
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Online Petition „Schutz für stillende Mütter in der Öffentlichkeit!“